Ich denke, ein Großteil der Probleme rührt daher, dass das grammatikalische Geschlecht (Genus) mit dem biologischen Geschlecht (Sexus) in einen Topf geworfen wird. Wenngleich niemand behaupten wird, dass beide gar nichts miteinander zu tun hätten, so kann man aber eben auch nicht sagen, dass das generische Maskulinum zunächst einmal grundsätzlich Männer meine. Dafür gibt es zu viele Gegenbeispiele: Sachen mit einem maskulinen oder femininen Genus, Tiere mit einem maskulinen oder femininen Genus ungeachtet des biologischen Geschlechts (der Hund, die Katze), weibliche Personen mit einem nicht-weiblichen Genus (das Mädchen), geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen mit einem weiblichen Genus (die Person, die Geisel, die Koryphäe, die Waise).
In Genderkreisen wird oftmals argumentiert, dass "der Pilot" die meisten Menschen primär an einen Mann denken ließ. Selbst wenn dem so sein sollte, erklärt dies noch nicht, warum wir bei einer Person nicht primär an eine Frau denken. Eine solch manipulierende Wirkung kann man dem Genus offenbar nicht einfach unterstellen. Ist es nicht vielmehr so, dass wir bei einem Piloten deshalb an einen Mann dachten, weil die meisten Piloten Männer waren? Und als dann Frauen Piloten wurden, benannte man sie flugs Pilotinnen, so dass Pilot als übergreifende Berufsbezeichnung zum Rückzug gedrängt wurde, mit Folgen, mit denen wir uns heute herumschlagen.
Wir könnten bei Ärzten gleichsam an Männer und Frauen denken, genau so, wie wir das bei Personen tun, wir müssten nur die Ärztinnen als Sonderbezeichnung ablegen. Genau das tun die Briten, wenn sie auf die actress verzichten und weibliche Schauspieler ebenso als actor bezeichnen. Und auch wir verzichten auf eine spezielle Ableitung, um männliche Personen zu bezeichnen, die sind einfach mitgemeint, ganz diskriminierungsfrei. Übrigens: Es gibt noch nicht einmal eine Sonderbezeichnung für männliche Piloten oder männliche Ärzte, also sollten wir auch auf weibliche Ableitungen verzichten können.
going ich fände es aber schon im deutschen sehr seltsam, wenn man z.b. sagen würde (im falle einer frau): "der lehrer schreibt etwas an die tafel, danach dreht sie sich um und verteilt die hefte."
Weil wir das Wort Lehrerin eingeführt haben. Wenn es heißt: "Die Führungskraft muss sich ihrer Verantwortung bewusst sein", klingt das dann im Fall eines Mannes auch seltsam? Es gibt keine männliche Ableitung von Führungskraft, deshalb denken wir hier an beide Geschlechter, daran ändert auch "ihre Verantwortung" nichts. Auch haben wir bei "Das Mädchen hatte seinen Schulranzen vergessen" keine Probleme und auch nicht bei "Die Geisel sah im Gericht erstmals ihre Entführer wieder".
Ich will nicht sagen, dass sich das Dilemma von heut auf morgen beseitigen ließe, aber ich denke, dass das derzeit zunehmend praktizierte Gendern uns weiter weg führt von geschlechtsneutralen Betrachtungen und damit dem selbstgesteckten Ziel der Genderer einen Bärendienst erweist.
Übrigens: Der Plural ist grammatikalisch überwiegend weiblich, auch Wörter, die eine Mehrzahl von Personen bezeichnen, sind überwiegend generisch weiblich (die Mannschaft, die Belegschaft) und alle Wörter auf "ung", "heit", "keit", "ion", Begriffe, die nichtdingliche Konzepte bezeichnen, sind allesamt generisch feminin. Warum sollen dann nicht Berufsbezeichnungen als Wortkategorie generisch maskulin sein dürfen?