Polarfuchs Mal angenommen, ihr könntet quasi die Zeit zurückdrehen, würdet ihr euer Leben nochmal so leben oder es anders gestalten?
Ich glaube nicht, dass das möglich wäre, weil ich denke, dass wir determiniert sind. Es würde also immer dasselbe Ergebnis herauskommen, sonst wäre dieses ich ein anderes ich. Ich bin durchaus zufrieden damit, wie ich bin und wäre etwas anderes gelaufen, als es gelaufen ist, wäre ich eben eine andere ich und alles Szenarien, die sich z. B. meine Mutter vorstellt, denn sie beschäftigt sich im Gegensatz zu mir, gerne mit solchen Fragen, wo sie auf jeden Fall anders gehandelt hätte, was mich betrifft, die wären meiner Ansicht nach langfristig fatal gewesen. Das heißt aber, dass alles, was mir passiert ist, notwendig war, um auf diese Schiene zu kommen.
Polarfuchs Würdet ihr überhaupt nochmal so ein ganzes Menschenleben von Anfang an leben wollen oder wäre euch das zu viel Lebenszeit, die ihr quasi erneut "rumbringen" müsstet?
Wenn ich eine Geschichte schreiben würde, dann könnte ich eine fiktive Möglichkeit nehmen, aber ich wurde ja auch für dieses Leben nicht gefragt, ob ich es nun leben möchte oder nicht. Sonst kann ich mir vieles vorstellen, aber es wäre reine Phantasie und dann würde ich es natürlich wollen und natürlich mit der Persönlichkeit, die ich habe und ich doch andere Entscheidungen treffe, da ich die Erfinderin bin.
Polarfuchs Wenn man wirklich 1:1 sein bisheriges Leben nochmal leben müsste, würde ich mich euch beiden sofort anschließen und auch den "Direktausstieg" nehmen.
Wenn du also wüsstest, wie dein Leben verlaufen wird, dann würdest du es gar nicht wollen. Ich denke, das würden doch viele so sehen. Auch da gibt es ja schon einige Geschichten, wenn z. B. Menschen hellsehen können oder dergleichen und es geht immer auf das Gleiche hinaus - dass sie es nicht wissen wollen, weil es durchaus auch sein kann, dass sie es dann deswegen so leben, weil sie wissen, was kommt und es dadurch eine selbsterfüllende Prophezeiung wird.
Polarfuchs Selbst die positiven (na ja) vergangenen Erlebnisse würde ich auch nicht nochmal neu erleben wollen. Das wäre auch eher traurig, weil diese Situationen ja vorbei sind - so wie gute Momente immer endlich sind, deshalb sollte man sich vielleicht gar nicht erst zu sehr darüber freuen und den Moment genießen ... .
Ich leben nicht sehr in Erinnerungen, egal, ob es schöne oder schlechte sind. Alles ist vergänglich, also erlebe ich die Gegenwart so intensiv, wie möglich. Gedankenschwelgerei in der Vergangenheit oder in der Zukunft halte ich sehr begrenzt.
Polarfuchs An sich fände ich es aber super, wenn man zu beliebigen vergangenen Situationen zurückreisen und sich die quasi wie ein Besucher unmittelbar ansehen könnte, eben so, dass man selbst als (unsichtbare) Person anwesend ist.
Ich habe immer auch eine beobachtende Perspektive - quasi aus der Distanz. Das tun wohl nicht alle.
Polarfuchs Schon, um die Erinnerungslücken zu schließen bzw. sich überhaupt mal an was richtig zu erinnern.
Je älter ich werde, umso regelmäßiger ändern sich meine Erinnerungen im Sinne, dass viele einfach weiter in die Vergangenheit rücken und meine Erzählungen darüber z. B. auch deutlich kürzer ausfallen und andere kommen dazu, die auch interessanter sind, um sie noch zu behalten. Ich erinnere mich viel lieber an das tolle Konzert im Jänner oder die tolle Oper im Februar, als ein Ereignis vor 20 oder 30 Jahren. Die Erinnerung aus dem Jänner trägt mich noch, weil es mich so sehr beeindruckt habt und so toll war. Die Erinnerung vor 20 Jahren dagegen verblasst und deswegen, weil ich sie nicht in mein Bewusstsein hole. Das ist auch wohl gemeint, wenn es heißt, dass die Zeit alle Wunden heilt. Ein Teil meines damaligen ichs bzw. meine Persönlichkeit ist auch heute da, andere Denkweisen und Einstellungen gibt es einfach nicht mehr, also lohnt es sich auch nicht, mich daran zu erinnern.
Polarfuchs So weiß man immerhin, wie es weiterging.😏 Wenn man die Entscheidungen ändert, kommt das Unbekannte und man kennt die Zukunft nicht. Evtl. trifft man in dem Leben noch bescheuertere Entscheidungen.
Diese Betrachtung habe ich für mein Leben nicht. Nur weil ich heute eine andere Entscheidung treffen würde als gestern, heißt es nicht, das meine Entscheidung gestern bescheuert war. Ich habe sie gestern mit bestem Wissen und Gewissen getroffen und es war die beste, die ich gestern treffen konnte.
Süntje Im Rückblick ist das bei mir tatsächlich die unbeschwerteste, fröhlichste, aufregendste Zeit. Vermutlich verklärt gesehen, aber so wie du z.B. sicher sagen kannst, auf keinen Fall möchtest du da nochmal durch, ist es für mich ganz klar, gerne nochmal.
Wenn ich zurückblicke, dann war es ein auf und ab, Katastrophen wurden von unbeschwerten Zeiten abgelöst, die von Katastrophen abgelöst wurden, die von unbeschwerten Zeiten abgelöst wurden und so ca in 10Jahresabständen. Mal sehen, ob das so bleibt. Im Moment sind es wieder unbeschwerte Zeiten.
Süntje Aber wäre ich nochmal 18, mit dem Wissen von heute, ich würde vieles anders entscheiden.
Das eine oder andere würde ich sicher auch anders eintscheiden, aber mein Wesen verändert sich nicht und ich denke, so viele Entscheidungen würden bei mir auch mit heutigem Wissen nicht groß anders ausfallen.
esta1 Also mir geht es da auch wie Claudsia die Zeit von 14-18 Jahren möchte ich auch nicht nochmal, klar es war schön, häufig verliebt zu sein, aber dieser Liebeskummer der war so hart für mich in dieser Zeit. Ich hatte überhaupt kein Selbstbewusstsein habe aber ständig auf cool gemacht. Ständig hatte ich eine andere Phase, mal war ich Popper (kennt ihr das noch 😆), dann Punk, dann wollte ich auf Intellektuelle machen und hatte immer ein Buch von Herman Hesse dabei😏.
Ja, ich habe Punks und Popper mitbekommen, aber auch nicht mehr. Ich habe damals schon denselben Musikgeschmack gehabt, wie heute und Hesse und alle anderen Bücher, die auf der Literaturliste des Deutschunterrichtes standen, habe ich gerne gelesen und noch andere, die nicht Pflicht waren und ich lese bis heute. Alle meine Interessen wurden recht früh geweckt und gefördert. Wäre mein Leben anders verlaufen oder würde es von neuenm anders verlaufen, wäre das vielleicht nicht der Fall.
Süntje klar, nicht da, wo wir nun stehen, aber vielleicht ebensogut?
Warum dann ändern, wenn es so gut ist und anders auch gut wäre?