Timbatuku Was erwartet ihr von dem Wechsel in Großbritanniens Führung?
Zunächst einmal stellt sich die Frage, wieviel Wechsel tatsächlich dahinter steckt. Damit meine ich: Wer zog die Fäden hinter der Wahl von Theresa May als Premierministerin und wer zieht tatsächlich die Fäden hinter dem aktuellen Premierminister Johnson. Ich werde den Verdacht nicht los, dass beide nur Marionetten darstellen, May um eine hoffnungslose Situation herbeizuführen, in der für die Vorbereitungen des harten Brexit nur noch weniger als 100 Tagen zur Verfügung stehen, und Boris, um diesen zu orchestrieren. Entscheidend erscheint mir in dem Masterplan, jetzt schon die Schuldigen für den zu erwartenden Crash festzumachen (die Brexit-Gegner und die Europäische Union), um sodann freie Hand zu haben mit der eigentlichen Agenda, der Umwandlung des UK in ein trauriges Abbild der USA. Die Europäische Union wird in diesen Kreisen als sozialistischer Superstaat empfunden.
Wird der Brexit nun leichter oder schwerer?
Das Aufgehen des Masterplans und damit ein harter Brexit wird in meinen Augen wahrscheinlicher.
Meine Gedanken im Brexit-Faden basierten im Wesentlichen auf der Annahme, dass kein Politiker im UK ein Interesse an einem wirtschaftlichen Crash haben dürfte. Ich erklärte mir das Handeln der Hardliner unter den Tories mit der (meines Erachtens irrigen) Annahme, dass die EU erpressbar sei und mit dem näherkommenden Showdown irgendwann einknicken würde. Inzwischen bin ich jedoch der Ansicht, dass ein wirtschaftlicher Crash durchaus ins Kalkül gezogen wird und diesem positive Aspekte abgewonnen werden. Sollte die EU wider Erwarten einknicken, könnte man (die Hard-Brexiters) damit aber natürlich auch leben.
Wird er GB ordentlich lenken?
Die von bion verlinkte Antrittsrede im Parlament enthält so viel heiße Luft und so wenig Substanz, dass es fast lachhaft erscheint, auf eine ordentliche Führung des Landes zu hoffen. Bis zum 31. Oktober wird versucht werden, mit Schnellschüssen ein aktives Regieren vorzutäuschen, danach wird, falls die Regierung noch im Amt sein sollte, mit dem Rücken zur Wand stehend vermeintliche Schadensbegrenzung einziger politischer Daseinszweck sein verbunden mit drastischen Maßnahmen in Richtung eines turbokapitalistischen Umbaus der britischen Gesellschaft. Der Bevölkerung wird dies mit von außen einwirkenden feindseeligen Kräften begründet, an denen die britische politische Kaste und das britische Volk natürlich keinen Anteil tragen. Dass Johnson sich gerne mit Churchill vergleicht, ist ja nichts Neues, was liegt da ferner, als das UK erneut im Krieg zu sehen.
Oder wird er gar vorzeitig abberufen?
Die Frage, die sich stellt, ist die, ob er eine general election einberufen wird. Das kann der britische Premier im Gegensatz zum deutschen Kanzler jederzeit; gegen seinen Willen können Neuwahlen nur im Falle eines erfolgreichen Misstrauensvotums erzwungen werden. Gegen Neuwahlen spräche, dass seine Mehrheit im Parlament weiter eroieren könnte, wie schon May schmerzlich erfahren musste, andererseits könnte er durch erfolgreiche Neuwahlen seine Legitimation deutlich ausbauen. Bliebe die Frage, wann er, wenn überhaupt, zum Mittel Neuwahlen greifen sollte. Typischerweise genießt ein neuer Premier erst einmal einen Vertrauensvorschuss, der sich im Laufe der Zeit abnutzen dürfte. Das spräche für frühe vorgezogene Wahlen, auf jeden Fall vor dem 31. Oktober, würde allerdings die Umsetzung des Brexit gefährden. Nach dem 31. Oktober bestünde hingegen die Gefahr, dass er wegen der zu erwartenden wirtschaftlichen Turbulenzen abgestraft wird.
Neuwahlen gegen den Willen des Premiers setzen wie gesagt ein erfolgreiches Misstrauensvotum voraus, aber auch davor ist Johnson nicht sicher. Der von ihm geschasste Schatzkanzler Philip Hammond und andere Mitglieder des Kabinetts May strecken bereits ihre Fühler in Richtung Labour Party aus, und auch die schottische Tory-Vorsitzende Ruth Davidson verweigert sich Johnsons Plänen für einen No-deal-Brexit.
Mit einem kann Johnson auf jeden Fall nicht rechnen: Dass ihm ernsthaft jemand moralische Integrität zubilligen könnte:
Max Hastings: I was Boris Johnson’s boss: he is utterly unfit to be prime minister
I have known Johnson since the 1980s, when I edited the Daily Telegraph and he was our flamboyant Brussels correspondent. I have argued for a decade that, while he is a brilliant entertainer who made a popular maître d’ for London as its mayor, he is unfit for national office, because it seems he cares for no interest save his own fame and gratification.
Auch seine Qualitäten auf dem Fußballplatz lassen nichts Gutes erwarten.