Kulturschaffender Dort würde ich zuerst ansetzen und versuchen, für die Autonomen separate Bereiche zu schaffen, ähnlich dem Eisenbahn-Netz.
An sich eine gute Idee, aber es funktioniert jetzt schon nicht allzu gut bei Radfahrern, für die möglichst eigene Wege/"Fahrspuren" zu schaffen - außer noch als tatsächlich separate Wegenetze in eher landschaftlichen Gebieten. Irgendwo ist der Platz einfach begrenzt und gerade im Innenstadtbereich bzw. in Städten mit ihrem chronischen Platz- und Geldmangel kann man schlecht komplett neue, separate Streckennetze anlegen. Ich denke daher nicht, dass sich das durchsetzen wird mit komplett eigenen Streckennetzen für autonom fahrende Fahrzeuge.
tsunami Spannendes Thema.
Das finde ich auch. Ich bin auch sehr gespannt, wie das rechtliche Dilemma bei den von @going angesprochenen Situationen gelöst wird. ... Eigentlich gilt der vom BVerfG aufgestellte Grundsatz, dass Leben gegen Leben nicht gegeneinander abwägbar ist bei tatunbeteiligten/unschuldigen Menschen.
Es gab diese Diskussion darum, inwiefern es vertretbar wäre bei der Rettung von Menschenleben, das Leben zahlenmäßig weniger Unschuldiger zu opfern, um eine Vielzahl an anderen Unschuldigen zu retten, beim 2005 in Kraft getretenem Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 BGBl I S. 78, das in Artikel 1 das Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) beinhaltete. In dem LuftSiG war eine "Abschussbefugnis" enthalten, mit der die Luftstreitkräfte im äußersten Fall im Rahmen der Amtshilfe ermächtigt werden sollten, entführte Passagierflugzeuge abschießen zu können, die wie beim Anschlag auf das WTC als Waffe gegen Menschen eingesetzt werden sollten. Diese Abschussbefugnis war im damaligen § 14 Abs. 3 LuftSiG a. F. geregelt:
(3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist.
Die §§ 13 - 15 LuftSiG a. F. findet man auch im Urteil des BVerfG abgedruckt unter Rn. 18-34.
Mit Urteil vom 15.02.2006, Az. 1 BvR 357/05, hat das BVerfG seinerzeit diesen Absatz 3 des § 14 LuftSiG für verfassungswidrig erklärt. Insbesondere hat das BVerfG festgestellt, dass der Bund nicht ermächtigt ist, die Streitkräfte im Inland derart einzusetzen (Stichwörter: Kriegseinsatz; Aushebelung der Polizeigesetze der Länder => ausführlich dazu im Urteil ab Rn. 41), und zudem verletzte das "Abschießen" selbst die Grundrechte der tatunbeteiligten Passagiere an Bord, die quasi geopfert werden sollten, um das Leben anderer Unbeteiligter zu schützen:
Die Ermächtigung der Streitkräfte, gemäß § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, ist mit dem Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit davon tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen werden.
Dazu ausführlicher aus der Urteilsbegründung, Rn. 37-40:
Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Das Luftsicherheitsgesetz verstoße gegen die Grundrechte der Beschwerdeführer auf Menschenwürde und Leben gemäß Art. 1 Abs. l und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Es mache sie zum bloßen Objekt staatlichen Handelns. Wert und Erhaltung ihres Lebens würden unter mengenmäßigen Gesichtspunkten und nach der ihnen "den Umständen nach" vermutlich verbleibenden Lebenserwartung in das Ermessen des Bundesministers der Verteidigung gestellt. Sie sollten im Ernstfall geopfert und vorsätzlich getötet werden, wenn der Minister auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen annehme, dass ihr Leben nur noch kurze Zeit dauern werde und daher im Vergleich zu den sonst drohenden Verlusten keinen Wert mehr habe oder jedenfalls nur noch minderwertig sei.
Der Staat dürfe eine Mehrheit seiner Bürger nicht dadurch schützen, dass er eine Minderheit - hier die Besatzung und die Passagiere eines Flugzeugs - vorsätzlich töte. Eine Abwägung Leben gegen Leben nach dem Maßstab, wie viele Menschen möglicherweise auf der einen und wie viele auf der anderen Seite betroffen seien, sei unzulässig. Der Staat dürfe Menschen nicht deswegen töten, weil es weniger seien, als er durch ihre Tötung zu retten hoffe.
Eine Relativierung des Lebensrechts der Passagiere lasse sich auch nicht damit begründen, dass diese als Teil der Waffe Flugzeug angesehen würden. Wer so argumentiere, mache sie zum bloßen Objekt staatlichen Handelns und beraube sie ihrer menschlichen Qualität und Würde.
Der Gesetzesvorbehalt in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG führe ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG schließe einen Eingriff in das Recht auf Leben durch vorsätzliche physische Vernichtung aus.
Quelle: BVerfG, Urt. v. 15.02.2006, Az. 1 BvR 357/05
Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der ausführenden Piloten der Streitkräfte hat das BVerfG offengelassen.
Ich finde die Entscheidung zum LuftSiG für das Problem mit dem zivilen, "friedlichen" Straßenverkehr und autonom fahrenden Fahrzeugen und der "Güterabwägung im Fall von Leben gegen Leben" so interessant, weil das BVerfG darin klargestellt hat, dass man in der Abwägung den Wert des Lebens des Einzelnen und sein "Erhaltungsrecht"/"Lebensrecht" nicht nach einer mengenmäßigen Betrachtung und auch nicht anhand der vermutlich verbleibenden Überlebenschance/Lebenserwartung vornehmen dürfe.
Damit verbieten sich eigentlich Güterabwägungen wie die, dass das autonom fahrende Fahrzeug das Leben seines Fahrzeugführers höher gewichtet als das Leben anderer im Straßenverkehr. Ebenso Abwägungen nach Alter wie bei Entscheidungen, ob man lieber einen Erwachsenen opfert und das Fahrzeug bspw. auf den zusteuert, um das Leben eines Kindes zu retten bei solchen Dilemmasituationen. ... Ich bin wie gesagt sehr gespannt, wie man die Entscheidungsmatrix in der Zukunft festlegt und wie man das rechtlich regelt und insbesondere mit den Grundrechten der Beteiligten unter einen Hut bringt.