Die Hessen haben mit ihrer gestrigen Landtagswahl für ein politisches Erdbeben in Deutschland gesorgt. Es kann insoweit dahinstehen, ob das Wahlergebnis nur ursächlich oder nur ein letzter Anstoß für das folgende war.
Angela Merkel ist nach den massiven Verlusten der CDU bei der gestrigen Landtagswahl in Hessen bereit, den Parteivorsitz abzugeben, insbesondere bei den entsprechenden Wahlen im Dezember nicht mehr anzutreten. Dies erklärte sie in einer heutigen Präsidiumssitzung der CDU in Berlin. Ungeachtet dessen will sie aber Kanzlerin bleiben. Merkel hatte bisher das Dogma der Zusammengehörigkeit von Kanzlerschaft und Parteivorsitz vertreten und die Trennung beider Ämter strikt abgelehnt und zunächst eine Kandidatur für eine Wiederwahl auf dem CDU-Bundesparteitag Anfang Dezember angekündigt. Merkel hat den Vorsitz der CDU seit April 2000 inne, seit 2005 wurde sie zur Kanzlerin gewählt.
Nunmehr will der frühere Vorsitzende der Unionsfraktion, Friedrich Merz, für den CDU-Vorsitz kandidieren. Merz war von 2000 bis 2002 Fraktionsvorsitzender - bis Merkel ihn rabiat, meines Erachtens, um einen gefährlichen Gegner loszuwerden, aus dem Amt "drängte" - und arbeitete in den letzten Jahren als Wirtschaftsanwalt in einer hochrenommierten internationalen Kanzlei. Erste Gerüchte, dass Merz wieder ins "politische Spiel" will, kamen Mitte Oktober auf. Im Zusammenhang mit Gesprächen, die Merz mit hochrangigen EU-Politikern führte, wurde über ein Politik-Comeback spekuliert. Er gilt trotz seiner langen Politikpause als ein Kopf der Liberal-Konservativen in der CDU. Als weitere mögliche Nachfolger gelten Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet.
Die größten Chancen und das geeignete "Kanzlerkaliber" hat meines Erachtens Merz. Sollte er um CDU-Vorsitzenden gewählt werden, so dürfte eine weitere Kanzlerkandidatur Merkels ausgeschlossen sein, eventuell ihre Kanzlerschaft noch im Laufe der Legislaturperiode enden.