Claudsia Vielleicht schaffe ich es beim Schreiben noch, dass wenigstens Abby stellvertretend für mich anklagt und nicht die Mutter schont.
Warum eigentlich anklagen? Egal ob schlechtes Gewissen oder Anklage, beides erhält eine emotionale Bindung zu der anderen Person. Man hat dadurch weiterhin eine Bindung an den anderen innerlich. ... In deinem Fall eine Bindung, unter der du sogar nach ihrem Tod noch leidest.
Wie wäre es mit keinerlei sonderlichen emotionalen Bindung an solche Menschen, die einem nicht gut tun?
=> Nicht um die möglichen und unmöglichen Befindlichkeiten & Wünsche des anderen rumhirnen; sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, was der andere gewollt hätte, was man hätte machen sollen, und wie der dein Leben bewerten würde und wie der die Welt wahrnimmt. Kurz gesagt nicht mehr versuchen, sich selbst durch die Brille des anderen wahrzunehmen und sich in den anderen automatisch einzufühlen zu versuchen und mit dem ungut verschmelzen.
Stattdessen könntest du ja lieber Mitgefühl (nicht Mitleid) mit dir haben und bei deinen eigenen Bedürfnissen und Werten bleiben. Du hast doch sicher eigene Werte, durch die du dieses Mantra "Kinder müssen ihre Eltern lieben etc." für dich ersetzen und dein Leben danach ausrichten kannst? Du hast - wie du schreibst - z. B. schon nicht das Wertesystem deiner Mutter angelegt bei der Frage, wen du heiratest. 😉
Das war doch schon mal ein guter Schritt mehr hin zu dir. Das solltest du unbedingt ausbauen und auch bei anderen Sachen "einfach" mal öfter denken, dass dich deine Mutter mit ihren Vorwürfen mal kann von deiner innerlichen Haltung her (oder wie auch immer du das für dich formulieren würdest). Das anfängliche schlechte Gewissen verliert sich auch irgendwann zusammen mit der (zu engen/zu ungut verstrickten) Bindung.
Claudsia Wie erkämpft man sich das? Wo die eigene Mutter doch so selbstlos alles für mich opferte, damit ich sie auf den Sockel stellen konnte. Die Wahrheit war natürlich dann schon eine andere. Sie hat nie gegeben ohne dafür zu verlangen.
Du musst die Darstellung deiner Mutter, dass sie ach so selbstlos alles für dich geopfert hätte, nicht gefühlsmäßig zu deiner eigenen Sicht machen. Du kennst doch die Wahrheit - und entsprechend gibt es nur nach der Weltsicht deiner Mutter (plus ggf. des übrigen mütterlichen, ebenfalls indoktrinierten Umfeldes) einen Grund für ein schlechtes Gewissen deinerseits. Oder siehst du das irgendwie als Verrat deinerseits an ihr?
Claudsia Aber rotschopf und ich sind beide so aufgewachsen, dass man uns eingetrichtert hat, dass Kinder ihre Eltern gefälligst zu lieben, achten und zu ehren haben.
... - selbstverständlich unabhängig davon, wie die Eltern sich gegenüber ihren Kindern benehmen. <= Ob das neben persönlichen Macken der Eltern ein bisschen auch etwas typisches aus der Generation ist? Meine Großeltern hatten mit einer Ausnahme irgendwie auch so einen schrägen Hau in diese Richtung und diese völlig verquere Wahrnehmung gegenüber ihren Kindern (in einem Fall auch nur gegenüber dem weiblichen Nachwuchs) mit entsprechenden Verhaltensweisen.