Anlässlich der Kritik an der Bochumer Polizei, die über eine Vergewaltigung auf einem Friedhof morgens durch einen zunächst unbekannten und flüchtigen Täter nicht berichtet hatte, interessiert mich, wie ihr das seht:
Sollte die Polizei bei solchen öffentlich begangenen Straftaten die Bevölkerung informieren, jedenfalls bei schweren Straftaten, oder findet ihr das in Ordnung, wenn sie das unterlässt?
Persönlich finde ich das nicht ok bei Straftaten, bei denen eine gewisse Wiederholungsgefahr nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Ich wüßte z. B. schon gerne, ob in der Straße X oder auf dem Wanderweg Z bei mir in der Stadt erst kürzlich jemand überfallen und vergewaltigt wurde durch einen Unbekannten, um das bei meinen eigenen Ausflügen berücksichtigen zu können (z. B. würde ich dort dann nicht umbedingt abends noch alleine Laufen gehen oder wäre vorsichtiger). Daneben denke ich, dass man auch generell ein Anrecht hat von der Polizei darüber informiert zu werden, was so vor sich geht in der Stadt. Das kann man problemlos so tun, dass die jeweiligen Opfer nicht identifizierbar werden und somit "in die Öffentlichkeit gezerrt" werden. <= Weil das manchmal als Einwand kommt, warum nicht darüber informoert werden sollte, auch nicht über Vergewaltigungen.
In meiner Stadt wurden an einem sehr beliebten Ausflugsort an einem See im Sommer 2017 zwei Frauen sexuell belästigt (inkl. Anfassen) und beleidigt durch einen Mann, der zwei Tage später eine Frau an jenem Ausflugsort von ihrem Fahrrad reißen und sie mehrfach schlagen wollte. Die Frau konnte zum Glück den Schlägen ausweichen und flüchten mit ihrem Fahrrad. Jene Frau wußte nichts von den Vorfällen zwei Tage vorher dort, weil die Polizei darüber nicht berichtet hatte, und war entsprechend arglos, als der fremde Mann sie in gebrochenem Deutsch angesprochen hatte. Ich bin dort selbst lange laufen gegangen abends im Vertrauen darauf, dass die Polizei schon darüber informieren würde, wenn dort Bürger überfallen oder sonstwie angegriffen werden würden. Der See wird auch gerne von Familien mit Kindern sowie älteren Menschen besucht und ist an sich eine äußerst friedliche Gegend, jene Ereignisse dort waren ein absolutes Novum. Die Polizei hat nach dem 2. Vorfall erklärt, dass sie nach dem 1. Vorfall nicht informiert hätte, weil der Täter ihnen namentlich bekannt gewesen wäre und damit eine Pressemiteilung entbehrlich gewesen wäre. Über den 2. Vorfall sei nicht berichtet worden von der Polizei, weil zwischenzeitlich die Lokalzeitung nachgefragt hätte zu dem 2. Vorfall, Auskunft dazu bekommen hätte und deshalb auch dazu eine Pressemitteilung entbehrlich gewesen wäre. Dass der weiterhin frei herumlaufende Mann möglicherweise weitere Frauen angreift, wollte auch die Polizei nicht ausschließen; es sollten mit ihm nochmal Gespräche in der Flüchtlingsunterkunft über die Rolle der Frau geführt werden und die Taten wären kulturell statt sexuell motiviert gewesen, so die Polizei. Später wurde er in eine andere Unterkunft verlegt - auch wenn dort in der Gegend ja auch Frauen wohnen und in der Öffentlichkeit unterwegs sind wie dieser Mann - ich sehe das nicht als Lösung des Problems, nur als Verlagerung. Seitdem weiß ich aber auch, dass ich da naiv war und mich nicht darauf verlassen kann, dass es eine Polizeimitteilung dazu gibt, wenn Menschen hier in der Gegend in der Öffentlichkeit von ihnen Unbekannten angegriffen werden und der Täter weiter frei herumläuft. Hier wird eigentlich von der Polizei über fast jeden Kleinkram berichtet, auch bei längst ermittelten Tätern, weshalb das etwas merkwürdig ist, dass ausgerechnet darüber nicht berichtet wurde.
Die Sachlage in Bochum ist nochmal heftiger imho, weil es dort schließlich bereits zu einer Vergewaltigung gekommen ist und der Täter auch der Polizei unbekannt war bis er innerhalb von wenigen Tagen ermittelt und festgenommen werden konnte.
Mir persönlich kommen die Erklärungen der Polizei dazu, warum sie nicht berichtet hat jeweils, nicht sonderlich glaubhaft vor. Für mich hat das ein bisschen einen negativen Beigeschmack, weil es zum einen möglichst keine negativen Schlagzeilen zur Flüchtlingsunterkunft hier geben soll und der Täter in Bochum wiederum an einem Programm für rückfallgefährdete Sexualstraftäter teilgenommen hat und die Vergewaltigung in der Nähe der zukünftigen „Sotha“, der sozialtherapeutischen Anstalt für Sexual- und Gewalttäter, die sich noch im Bau befindet, begangen hat. Da kommen solche "Vorfälle" natürlich ungelegen und wenn die Information nicht doch durchgesickert wäre wie in Bochum oder eines der Opfer sich an die Lokalzeitung gewandt hätte wie in meiner Stadt, wäre das sehr praktisch gelaufen, dass die Bevölkerung davon nie erfahren hätte.
Bei den (versuchten) Vergewaltigungen in der Nähe der Frankfurter Goethe-Universität gab es zwar immerhin ein Warnschreiben an die Studentinnen, aber auch erst nachdem vier Studentinnen nachts auf dem Weg von der Uni nach Hause von ein- und demselben Täter überfallen worden waren im Zeitraum Oktober 2017 bis Januar 2018. Nach dem 4. Fall machten Studenten die Universität auf diese Serie aufmerksam und danach kam das Warnschreiben. Wie früh die Polizei da berichtet hat, ist mir nicht bekannt.