Galaxi
Sorry ist etwas lang geworden, aber soviel Emotionen kann man nicht in drei Sätze verpacken.
Als einziges Kind, mit zwei erwachsenen Söhnen, und einem komplizierten Testament, das uns alle drei irgendwie bedachte, saßen wir also im Wohnzimmer meines Elternhauses. Ich angereist aus München oder aus dem bayerischen Wald, ich weiß es nicht mehr genau, egal, weil es sind aus jeder Richtung 2 Stunden zu fahre, mein Großer 100 km entfernt und der Kleine aus der nächsten Stadt.
Von Anfang an war klar, mein Mann wollte mit mir dort nicht einziehen, logisch wir wohnen hier so idyllisch, wie es kein Vorort leisten kann. Der große Sohn hat mit seiner Frau ein eigenes Haus, der jüngere Sohn will zusammen mit seiner Frau nach Australien.
Niemand von uns wollte einziehen, niemand wollte es haben. Vermieten? Ein Haus aus den 70ern? Gut gepflegt, aber trotzdem nicht dem Standard eine jungen Familie entsprechend. Wer fährt hin, wenn der Mieter wieder was zu reparieren hat? Wenn dieses oder jenes ansteht? Also verkaufen? Aber das geht doch nicht, das ist doch mein Elternhaus, da habe ich mit meinen kleinen Jungs die ersten Jahre gewohnt. Das wäre ja alles weg?
Wir sind zum Mittagessen gefahren und dann war klar, das Haus muss verkauft werden.
Mein Vater starb im November, die Entscheidung fiel im Dezember und dann haben wir die Heizung im Haus auf lauwarm aufgedreht und alles ruhen lassen. Jeder hatte einen Schlüssel, konnte rein, wann immer ihm danach war. Durch die Schubladen stöbern und die Schränke. Anfang April war klar, wir haben alle Abschied genommen, jeder auf seine Weise.
An einem Samstag im April haben wir in einer hau-ruck Aktion das Haus ausgeleert, Antiquitäten und Teppiche verkauft, Bilder für die Immobilien-Plattform gemacht. Meine Söhne und ich. Jeder von uns hatte bei einem anderen Möbelstück eine Kloß im Hals.
Zigfach folgender Dialog:
„Das kann nicht weg! Ok, wer nimmt es? Ich nicht, ich auch nicht, ja ich auch nicht. Also weg!“
Am Nachmittag war das Haus leer, die Händler abgezogen und ein Transporter voller Erinnerungsstücke auf dem Weg in den Woid.
Mittwoch war die Anzeige geschaltet für den Hausverkauf, Samstag waren für 2 Stunden gefühlt Dutzende Interessenten da, Sonntag früh war das Haus verkauft. Eine Woche später der Notartermin. Nach dem Termin wurde die Anzahlung geleistet, der Schlüssel übergeben und dann bin ich geflüchtet. 2 Stunden nach Hause. Wirr im Kopf, verzweifelt, voller Angst und einmal habe ich anhalten weil ich so weinen und schreien musste.
Wir haben uns nicht an das Testament gehalten 😉 ich habe mit meinen Kindern geteilt - jeder ein Drittel. Meine beste Entscheidung.
Die Erinnerungsstücke? Die waren plötzlich in einem fremden Haus fehl am Platz, ihr Zauber war gebrochen. Außer einer großen, stylisches Rosenthal Vase ist nichts übrig geblieben. Ich vermisse nichts.
Das Haus? Haben wir an eine Familie mit vier Kindern verkauft, ich fahre manchmal vorbei und sehe, wie schön sie alles renoviert haben, wie der neu angelegt Garten blüht, neue Fenster, neue Terrasse, neuer Gartenzaun, der Hof voll mit Fahrrädern und unzähligen Tretautos. Die Familie hat Besitz ergriffen von dem Haus. Das ist für mich das schönste Geschenk. So glücklich wie meine Jungs in dem Garten waren, so glücklich kreischen jetzt 4 andere Kinder.
Nachtrag:
Nachdem ich den Beitrag geschrieben hatte, hab ich ihn eine Stunde sacken lassen und nochmal in mich hineingehört. Es war damals eine schmerzhafte Entscheidung, eine einschneidenden Entscheidungen, immer mit dem Gedanken im Kopf, was, wenn es falsch ist.
Rückblickend aber haben wir alles richtig gemacht.
Das empfinden meine Jungs ebenso.
Das Geld, ihr Vorschuss auf mein Erbe war nur an eine einzige Bedingung geknüpft „Macht etwas damit, was euch glücklich mach.“