Hallo Juliette, erstmal mein Beileid zu deinem traurigen Verlust, fühl dich gedrückt!
63 ist ja nun kein sehr hohes Alter und dein Vater hätte sicherlich gern noch länger gelebt🤔.
Ich bin nun inzwischen 60, und in den letzten Jahren hab ich so einige sterben sehen und beerdigt. Mein Vater ist im Alter von 52 gestorben, da war ich 17. Ich vermiss ihn immer noch, aber die Erinnerung an ihn wird kleiner, blasser... und inzwischen bin ich ja schon älter, alles er wurde. Ein seltsames Gefühl ( Aus Kindersicht ist der Vater ja IMMERschon sooo alt😉), darum denke ich seit meinem eigenen 52 öfter darüber nach.
Aber zu deiner Frage, wie funktioniert Trauer, und wie trauert man richtig?
Also zum ersten Teil, wie funktioniert Trauer:
Für mich ist es eine Art Umlernvorgang, und danach muss ich gefühlsmässig neu Stellung dazu nehmen, was bisher alles passiert ist, wer vorher da war und nun einfach WEG ist. Alles, was ich bis zum Zeitpunkt des Todesfalls gemacht habe, hab ich mit dem Bewusstsein gemacht, gedacht, gefühlt und getan oder gelassen, dass die verstorbene Person da ist und davon erfährt und daran teilnimmt.
Nun muss ich umlernen und ab jetzt ALLES, also jede Kleinigkeit! nun in dem Bewusstsein tun, dass jemand weg ist und nie mehr wiederkommt, nie mehr an meinem Leben teilnimmt. Ich muss also alles OHNE die verstorbene Person tun, was ich bisher MIT der Person tat.
Die ersten 3 Monate nach so einem Schock sind die schwersten. Danach lichtet sich der Graus und in kleinen Abschnitten gehts einem schon minimal besser, aber nur kurz, dann setzt der Schockzustand wieder ein. Ich war so geschockt damals, dass ich an das erste halbe Jahr nach Vaters Tod nur noch lückenhafte Erinnerungen habe. Ich hab mich durch diese Zeit einfach "durchfunktioniert", und glaube, das ist bei dir ähnlich, wenn du sagst, du kommst für diese Situation überraschend gut klar. Es ging mir wohl so, ich hab alle meine geschockten Mitschüler beruhigt und ihnen gesagt, sie müssen sich keine Sorgen um mich machen. Die dachten, ich steck das brutal cool weg. Das war aber gar nicht so, denn ich war absolut geschockt! Jahrelang dachte ich (ohne es mit irgendwem zu besprechen!) dass mein Vater einfach abgehauen wäre, verzogen, irgendwohin verschwunden. Aber TOT? Das hab ich nicht akzeptiert. Heute habe ich mich längst damit abgefunden.
Weiter gehts: nach dieser mindestens 3monatigen Phase geht es einem kontinuierlich (wenn auch in Minischrittchen) besser, man ist soweit erstmal aus dem Gröbsten, was den Schock angeht. Ab da geht das erste Jahr ziemlich schnell rum, die lichten Phasen werden länger, es gibt auch mal Einbrüche, aber die werden seltener.
Was hilft in dieser Zeit? Reden, reden, reden. Es ist sehr gut, wenn man das alles möglichst vielen Leuten erzählt. Das hilft absolut, sich mit der Sache irgendwie erstmal bekannt zu machen. Und man kriegt auch viel Unterstützung, Verständnis, anderen gehts ja oft genau so, und vllt ist auch der eine oder andere Tipp dabei, der hilft, und viel Mitgefühl.
So, das sog. Trauerjahr ist irgendwann rum, d h.: man hat mit dem Schock erstmalig alle 4 Jahreszeiten durchlebt. Ein wichtiger Punkt, denn die Jahreszeiten bringen ja immer neue Erinnerungen mit sich.
Nun, ab da ist wirklich alles eher Äusserliche abgeschlossen. Der Schock, die Beisetzung, die Erbangelegenheiten, die Haushaltsgeschichten, Whg evtl umräumen oder oder oder... und nun kehrt endgültig der Alltag wieder ein und JETZT kann man sehen, in welcher Art man wirklich trauert, und dann kann man das alles und sich selbst nach und nach neu ins Gesamte einordnen.
Das Gefühlsmässige ist aber sehr individuell, denn es kommt darauf an, welche Art von Beziehung ich zur verstorbenen Person hatte. War es eine herzliche oder eher angespannte Beziehung? Was und wieviel hat die Anwesenheit der Person für mich bedeutet? Das ist individuell.
Wie trauert man richtig? Die Frage solltest du überhaupt nicht stellen🤗!
Da gibts kein richtig oder falsch. Das macht jeder so, wie es dem eigenen Charakter entspricht. Ich würde mir auf keinen Fall Zwang antun. Das heisst, wenn ich mal mit den Gedanken weit weg bin, dann würd ichs anderen einfach sagen, oder wenn ich mal allein sein möchte, täte ich das auch. Ich hab auch in so einer Sit mal nem AG gesagt, dass ich mich aufgrund eines Todesfalls in der Familie gerade nicht in der Lage zum Arbeiten fühle und hiermit meine AU für eine Woche einreiche.
Wurde ohne Mucken akzeptiert.
Das erste halbe Jahr ist das schwerste, das zweite halbe Jahr ist immer noch schwer, aber nicht ganz so, und ab da wird es merklich besser.
Eins ist enorm wichtig, in so einem Fall tut immer wieder Ablenkung sehr gut. Die Trauer und das Umlernen und Sich- Neu- Arrangieren ist eine Sache, die nonstop arbeitet, da kann man auch mal was anderes machen. Man muss vom Trauern immer wieder Pause machen und da sollte man sich einfach mal netten Dingen zuwenden, die JETZT gut tun!
Das ist nicht egoistisch, denn man trauert eh so lange, bis das besser wird.
Naja, und irgendwann ist die Trauerphase beendet. Aber es wird nie mehr so wie davor. Nun ja, das liegt in der Natur der Dinge und meiner Meinung nach ist es für den Verstorbenen ehrenvoll, wenn immer ein bitteres Körnchen Trauer um ihn zurückbleibt.
Ich trauere inzwischen um sooo viele, und stehe dazu!
Dir schick ich viele Kraftsternchen, damit du diese wirklich schwere Sache gut bewältigen kannst
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